Bericht aus Elizabeth Georges Schreibwerkstatt

„Man wird euer Werk veröffentlichen, wenn ihr über drei Eigenschaften verfügt: Talent, den leidenschaftlichen Drang zum Schreiben und Disziplin.“ In diesen Worten gibt Elizabeth George die Ingredienzien des schriftstellerischen Erfolges an die Studierenden ihrer Kurse für „Kreatives Schreiben“ weiter. Die 1949 geborene Amerikanerin ist als Meisterin des englischen Kriminalromans bekannt – und verfügt ganz sicher über alle drei der von ihr genannten Eigenschaften. In „Wort für Wort“ verrät sie dem schriftstellerisch ambitionierten Laien ganz genau, wie sie beim Schreiben ihrer Geschichten vorgeht. Das Buch ist ein ebenso erhellendes wie ernüchterndes Vergnügen, denn schon bald dämmert es dem Leser, wie wenig geniale Autorschaft und wie viel akribische Kleinarbeit meist in einem literarischen Werk stecken.

Ohne Konflikt keine Spannung

Elizabeth George
© Michael Stadler

Am Anfang steht die Idee. Doch woher kommt sie? Georges Antwort: Man findet sie überall, z.B. in Begegnungen, Zeitungsartikeln oder Redewendungen. Wichtig ist, dass man an diesen Ideen arbeitet, sie überdenkt, erweitert, um aus ihnen einen Plot entwickeln zu können. Dieser Handlungsentwurf braucht sehr klar charakterisierte Figuren. Er sollte ein Primärereignis enthalten, eine neue oder überraschende Situation, mit der die Figuren fertig werden müssen, und außerdem – ganz wichtig – einen Konflikt. Ohne Konflikt ist es einfach nicht möglich, Spannung zu erzeugen und Leser für eine Story zu begeistern. Dieser Konflikt soll sich entwickeln, sich auf einen Höhepunkt hin immer weiter zuspitzen, bis er schließlich aufgelöst wird. Sein Inhalt kann dabei von überallher kommen: aus dem Wesen einer Hauptfigur, der Natur, einer Geisterwelt oder einer „Schmelztiegel-Situation“, in der unterschiedliche Charaktere gleichsam aneinander gekettet sind – so wie die Schauspielertruppe in „Keiner werfe den ersten Stein“, die, in einem schottischen Landhaus probend, durch ein Unwetter von der Außenwelt abgeschnitten wird. Letztlich steckt aber bereits in jedem Widerstand, der sich den Wünschen einer Figur entgegenstellt, ein potenzieller Konflikt. Und wenn dieser sich lediglich in ihrem Inneren abspielt, wird die Person für den Leser sogar erst richtig lebendig.

Sinn und Sinnlichkeit

Planung ist das halbe Leben – und beim Schreiben vielleicht sogar mehr als das. Nach der ersten Idee folgt für Elizabeth George die Entwicklung der handelnden Figuren. Jede wird anhand eines Fragenkataloges gründlich analysiert: von der Augenfarbe über ihre Pläne im Leben bis hin zu ihren sexuellen Vorlieben. Dadurch ist die Autorin bereits vor dem eigentlichen Schreiben bis ins kleinste Detail mit ihren Protagonisten bekannt. So genau wie die Personen werden in der Folge auch die Schauplätze und Umstände des Geschehens recherchiert. George unternimmt zu diesem Zwecke aufwendige Reisen. Sie fotografiert Orte und Plätze, spricht mit den Menschen in der Umgebung und lässt sich mit allen Sinnen auf die Landschaft ein. So verschaffen ihr oft erst diese Recherchereisen die richtigen „Locations“ – etwa wenn es wie in „Im Angesicht des Feindes“ darum geht, ein Entführungsopfer zu verstecken.