FAQ

„Wie entwickeln Sie Ihre Hauptfiguren?“ oder „Welcher Schriftsteller hat Sie am meisten beeinflusst?“ – Fragen, die sicher jeden Elizabeth George-Leser brennend interessieren. Auf dieser Seite haben wir für Sie häufig gestellten Fragen an die Autorin und ihre Antworten zusammengetragen.

Sie sind Amerikanerin. Warum schreiben Sie Romane, die in England spielen?

Diese Frage wurde mir, seit ich 1988 mein erstes Buch veröffentlichte, so oft gestellt! Wenn ich gewusst hätte, wie oft, dann hätte ich meine Romane woanders spielen lassen.

Die Antwort ist ganz einfach: Meine Romane spielen in England, weil ich sehr gerne über England schreibe.

Mein Interesse für England datiert zurück bis in die 1960er Jahre, als die Beatles schlagartig in die Popkultur der USA „eindrangen“ [Anm. d. Red. man spricht hier allgemein von der „British Invasion“]. Den Beatles auf dem Fuß folgten nicht nur eine Vielzahl anderer britischer Pop-Bands. Über den Atlantik kamen auch die Mode, personifiziert durch Mary Quant, die Models, personifiziert erst durch Jean Shrimpton und dann Twiggy, und die Filme, darunter „Alfie“, „Georgy Girl“, „Der Fänger“ und „Honigmond 67“ (OT: The Family Way).

Unmittelbar danach begann ich, Shakespeare zu studieren und reiste im Sommer 1966 zum ersten Mal nach England, um an einem Shakespeare-Seminar in London teilzunehmen. Wir bekamen die Freiheit, die Stadt zu erkunden, und ich verliebte mich in sie. 1971 besuchte ich England zum zweiten Mal - und seitdem immer wieder.

Im College und auf der Uni habe ich mehr englische als amerikanische Literatur gelesen, und als ich Lehrerin wurde, unterrichtete ich zunächst Shakespeare. Das festigte meine Liebe zur britischen Literatur weiter.

Ich begann, Kurzgeschichten über England zu schreiben, als ich noch in der Highschool war, und als ich beschloss, Schriftstellerin zu werden, habe ich nie darüber nachgedacht, meine Romane an einem anderen Ort als England anzusiedeln.

Ich hoffe wirklich, dieses Thema hiermit abgeschlossen zu haben, denn viel mehr kann ich darüber nicht sagen. Außer das eine: Warum finden es die Leute so seltsam, dass ich über England schreibe? Bei Henry James hat das doch auch gut funktioniert.

Warum schreiben Sie Krimis und nicht „Literatur“? Sie sind doch eine ziemlich gute Schriftstellerin…

Ich werde diese Antwort in zwei Teilen beantworten. Fangen wir mit dem Krimi-Teil an.

Ich schreibe Krimis – genauer Kriminalromane oder Geschichten mit psychologischer Spannung – weil ich den roten Faden mag, den ein Verbrechen mir an die Hand gibt. Das Verbrechen und seine Auflösung bieten ein Grundgerüst, an dem ich mich – mehr oder weniger, ganz wie ich will – entlangbewegen kann. Ich kann die Ermittler z.B. Hand in Hand auf die Auflösung der Geschichte zumarschieren lassen, ganz ohne Ablenkung. Oder ich kann die Krimi-Struktur ergänzen um ein Thema, weitere Plots, Charakterentwicklungen und alles andere aus der Autoren-Trickkiste sowie den Möglichkeiten, die die Literatur bietet. Ich kann ein Buch so anspruchsvoll gestalten wie ich will, oder es ziemlich einfach halten. Ich kann eine „Regel der Kriminalliteratur“ nehmen und einfach brechen. Ich kann mir die Vorstellungen der Leser darüber, was einen Krimi ausmacht, zunutze machen und diese Vorstellungen auf den Kopf stellen. Kurz gesagt, ein Krimi eröffnet mir als Autor unglaubliche Flexibilität, nötigt mich aber zugleich, mich – einigermaßen – an eine Struktur zu halten, die eine befriedigende und glaubwürdige Lösung des Verbrechens liefert.

Was die Literaturfrage anbelangt: Ich fand es unglaublich faszinierend festzustellen, dass ich diese Frage ausschließlich in Europa gestellt bekomme. Ich fand es auch faszinierend, dass ich in keinem englischsprachigen Land – und ich war schon in Kanada, Irland, Schottland und England und überall in den USA – jemals danach gefragt wurde. Und das, obwohl der Roman in England das Licht der Welt erblickte, und die besten Romanschriftsteller aus den englischsprachigen Ländern kommen. Deswegen wundere ich mich immer, was die Frage impliziert.

Daher meine Antwort: Für mich liegt Literatur im Auge des Betrachters. Das, was für den einen Leser Literatur ist, verwendet ein anderer Leser, um damit die Mülltonne auszulegen. Wenn man einen snobistischen Blick auf das Geschriebene wirft, wie es in Europa immer und immer wieder der Fall ist, dann verkennt man, warum ein Roman überhaupt gelesen wird. Romane wurden geschaffen, um zu unterhalten - und diejenigen von uns, die diese Kunstform am Leben erhalten wollen, sollten das im Hinterkopf behalten. Wer versucht, hohe Literatur zu schaffen, anstatt einer gute Geschichte zu erzählen - mit realistischen Charakteren, die wachsen und sich weiterentwickeln, vor einem Erzählhintergrund, der zum Leben erwacht – der verhält sich gegenüber dieser Kunstform wie jemand, der zuerst den Firnis auf die Leinwand aufträgt. Ich versuche, einen guten Roman zu schreiben. Ob der dann Literatur ist oder nicht, werden die kommenden Jahrzehnte entscheiden, nicht ich und keine Kritikermeute der Welt.

Wie haben Sie ihre Hauptfiguren entwickelt?

Anfangs hatte ich vor, Detektivgeschichten nach Edgar Allan Poes Formel zu schreiben. In diesen Geschichten gibt es zwei Hauptcharaktere: einen exzentrischen Detektiv und einen bewundernden Erzähler. Obgleich Poe diese Formel erfunden hat, hat Sir Conan Doyle sie perfektioniert und ist mit seinen Charakteren Sherlock Holmes und Dr. Watson ihr bekanntester Vertreter.

Meinen exzentrischen Detektiv-Charakter nannte ich Simon Allcourt-St. James. Er war ein Einsiedler, der in seinen Zwanzigern bei einem Autounfall schwer verletzt wurde. Er arbeitete als Forensiker und besaß genug Fachwissen, um der Polizei zu helfen, wenn sie einem Verbrechen ratlos gegenüber stand.

Ich hatte keinen Watson’schen Erzähler, weil ich in der dritten Person schreiben wollte, aber es gab einen Detektiv von New Scotland Yard, der sich mit seinen drängenden Problemen an St. James wenden sollte. Das war Thomas Lynley, Lord Asherton. Ich machte ihn absichtlich und rein zu meinem eigenen Vergnügen zum Adeligen, weil ich dachte, es würde mehr Spaß machen, über einen Adeligen zu schreiben, als über einen durchschnittlichen Knilch, der von einem Polizeigehalt lebt, in einem schlecht beleuchteten Wohnschlafzimmer, mit einem Neonlicht, das draußen an- und ausgeht.

Nachdem ich zwei Bücher mit diesen zwei Charakteren geschrieben hatte (und mit Deborah Cotter und Helen Clyde), und beide nicht veröffentlicht bekam, beschloss ich, auszuprobieren, ob Lynley auch selbst einen Fall lösen konnte. Ihm einen Fall zu geben bedeutete auch, ihm einen Partner zur Seite zu stellen. Ich entwarf Barbara Havers. Sie sollte mit ihm zusammenarbeiten und sein absolutes Gegenstück sein. Ihre Funktion war es, dem Leser Lynley durch ihre Augen und Gedanken vorzustellen, bevor der Leser den Mann überhaupt zu Gesicht bekäme. Ich hoffte, dass ich den Leser so dazu bringen könnte, Lynley zu mögen – anstatt ihn zu verabscheuen. Da Barbara ihn in diesem ersten Buch so hasste und selbst ziemlich unsympathisch war, schien es mir vernünftig anzunehmen, dass, wie auch immer sie über jemanden dachte, der Leser vermutlich das Gegenteil empfinden würde. Dieser Roman war mein erstes veröffentlichtes Buch, „Gott schütze dieses Haus“, mit dem eine Partnerschaft zwischen Lynley und Havers begann, die in den Romanen bis heute existiert.

Welche Schriftsteller lesen Sie?

Ich bin eine sehr vielseitige Leserin. Ich lese nicht viele Krimis oder Detektivgeschichten. Wenn ich Krimis lese, dann bevorzuge ich Geschichten über wahre Verbrechen.

Meine Lieblingsschriftsteller (in ungeordneter Reihenfolge) sind John Irving, John Le Carré, Alice Hoffman, Graham Swift, Penelope Lively, Gabriel Garcia Marquez, Jane Austen und John Fowles.

Zu den Kriminalschriftstellern, deren Bücher ich immer lese, zählen P.D. James, T. Jefferson Parker und Robert Crais. Die beiden letzteren sind Freunde von mir.

Welcher Schriftsteller hat Sie am meisten beeinflusst?

Zweifellos John Fowles. Fowles hat nie zweimal dasselbe Buch geschrieben. Er war immer da draußen, ging einen Schritt weiter als alle anderen, ging mit seiner Arbeit immer Risiken ein. Manchmal hatte er Erfolg und manchmal scheiterte er. Aber er machte immer etwas anderes – und ich respektiere das ungemein.

Wie lange brauchen Sie, um ein Buch zu schreiben?

Mit den Jahren brauche ich immer länger, weil die Bücher komplizierter geworden sind. Meinen ersten Roman, „Gott schütze dieses Haus“, schrieb ich in dreieinhalb Wochen. Zum Vergleich: Für meinen Roman „Undank ist der Väter Lohn“ brauchte ich von Recherchebeginn bis Drucklegung zwei Jahre. 15 Monate davon benötigte ich für die Rohfassung des Romans.